Mangels ausreichend Zeit haben wir die Weine im Schnelldurchgang probiert, was im Normalfall unhöflich gegenüber unseren Gastgebern und auch den Weinen ist. Allerdings sind wir Profis und können rasch erkennen, wo der Hase langläuft oder eben im Pfeffer begraben liegt…
Kurzum, die 2020er Kollektion der Weingüter Kühling-Gillot und Battenfeld-Spanier sind vollends gelungen. Seit dem Jahrgang 2017 arbeiten wir mit Carolin und H.O. zusammen und zumindest uns überzeugen ihre mit größter Präzision nach den Regeln des biodynamischen Weinbaus erzeugten Weine vollkommen. Schade ist, dass die nationalen und internationalen Erfolge der beiden von Ihnen, unseren Kunden viel aufmerksamer wahrgenommen werden könnten. Wir trommeln gerne noch etwas lauter:
MÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖLSSSSHEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIMMMM!!!
Mölsheim im Wonnegau bei Worms. Hier wächst einer der mineralischten VDP Ortsweine, die ich kenne. Die Weinberge von Mölsheim sind deutlich kühler gelegen als die der umgebenden Weinbaugemeinden. Mölsheim ist Kalk pur. Sehr karger Boden, die Reben müssen sich regelrecht in die Kreidefelsen bohren. Auch der 2020er wandert in meine Sammlung, das steht fest. Die kristalline, steinige Art, der kräuterwürzige, fast salzig schmeckende Wein hat aufmerksamkeitserregenden Charakter. Hier geht es nicht um Frucht, sondern nur um die Übersetzung des Terroirs. Die Weinberge des gesamten Orts wurden zurecht hochgestuft und sind jetzt eine VDP.ERSTE LAGE.
Die Unterschiede zwischen den Battenfeld-Spanier und den Kühling-Gillot Weinen könnten größer kaum sein. Weinmacher H.O. Spanier zeigt auch mit den 2020ern den Facettenreichtum von Rheinhessen exemplarisch auf. Hier die fast stahlig und kühl wirkende Mineralik der Wonnegau Weine von Battenfeld-Spanier, die mit Wonne so gar nichts am Hut haben, sondern eher an diszipliniertes, beinhartes Triathlon Training erinnern und auf der anderen Seite die Rheinterrassen Weine des Roten Hangs zwischen Nackenheim und Nierstein, welche mit ihrer saftigen und dabei stets klar bleibenden Frucht Aromatik nicht nur das Herz erwärmen.
Weingut Wittmann, Westhofen
Für mich ist es stets ein besonderes Ereignis, wenn ich nach Westhofen zu Familie Wittmann fahre. Bereits Anfang der 1990er Jahre kam ich erstmals in Kontakt mit einem Wittmann Wein, es war eine 1989er Westhofener Morstein Riesling Auslese, die seinerzeit 98 Punkte von einem gewissen Robert M. Parker jun. erhielt. Ein Parker Fan besorgte mir damals einige 0,5 l Flaschen und seither haben mich die Wittmanns nicht mehr losgelassen. Als eines der ersten Weingüter erzeugte Familie Wittmann Biowein, was Ende der 1980er Jahre noch sehr exotisch wirkte und von den meisten Weingenießer*innen nicht wirklich ernst genommen wurde. Wittmann katapultierten diese Weine in die Bundesliga. Als ich 1998 bei WeinArt anfing, lernte ich über einen Freund, der sein Studium in Geisenheim begann, Philipp Wittmann näher kennen. Diese glückliche Fügung intensivierte die Verbindung, aber es dauerte noch viele Jahre, bis wir endlich eine Möglichkeit fanden, mit dem Weingut direkt zusammenzuarbeiten.
Am besagten 6. Juli 2021 empfing uns Philipp Wittmann und die Freude war groß. Neben vielversprechenden 2020ern, die geschmacklich zwischen den fülligeren 2018ern und den ultrafeinen 2019ern liegen, öffnete Philipp die Schatzkammer des Hauses für uns. Wir konnten den grandiosen ersten Jahrgang des Rieslings La Borne Alte Reben 2009 verkosten und unter anderem 2016 Morstein GROSSES GEWÄCHS mit 2016 Riesling Clos Ste. Hune von Trimbach vergleichen. Eine Sache der persönlichen Präferenz auf höchstem Riesling Niveau.
Unbestrittenes Highlight des Abends: Eine enorm frische, glockenklare 1959er Westhofener Morstein Riesling Spätlese, die durch die jahrzehntelange Lagerung im tiefsten Keller perfekt konserviert auftrat. Ein unvergesslicher Abend mit fantastischen Weinen, herzlichsten Dank Philipp!
Autor: Hans-Jürgen Teßnow