Bei einem Weinland wie Italien mit einer sehr großen Breite an Spitzenweinen verwundert es nicht, dass ein paar Winzer die Extra-Anstrengung unternehmen, Weine in extrem kleiner Stückzahl hervorzubringen, welche unverwechselbar sind und qualitativ einsam an der Spitze stehen. Man mag diese Raritäten teuer nennen, gewiss, aber sie sind im Wortsinn preiswert und vor allem eins: unvergesslich.
Sensibles Supertalent: Nebbiolo
Der Norden Italiens beherbergt nicht nur das starke ökonomische Zentrum des Stiefels, sondern bietet mit dem Piemont auch in Sachen Genusskultur eine der ersten Adressen des Landes. In der Hügellandschaft Langhe – eingerahmt von den schneebedeckten Gipfeln der Alpen – ist eine Rebsorte zuhause, die den Ruhm der Region mit Weinen wie Barolo und Barbaresco prägte: Nebbiolo. Sie trägt im Namen das Wort Nebbia= Nebel, weil sie spät zur Reife kommt, nämlich dann, wenn der Herbstnebel vom Fluss Tanaro in die Weinberge zieht. Die lange Reifezeit und die Frostempfindlichkeit machen sie zu einer sehr sensiblen Sorte, die eine kundige Hand braucht, aber, wenn das Werk gelingt, den Winzer und den Weingenießer mit exquisiten Tropfen belohnt, die über eine beeindruckende Langlebigkeit verfügen.
Monprivato – Grand Cru des Piemont
Zu den Weinbauern, die erwiesenermaßen "ein Händchen" haben, gehört zweifellos Mauro Mascarello vom Gut Giuseppe Mascarello. Im Alleinbesitz der Familie befindet sich eine der mit Abstand besten Lagen des Piemont: Monprivato lebt von seinem Untergrund aus Algenablagerungen und Muschelkalk, denn auch wenn man es sich heute kaum vorstellen kann - hier war einst das Meer. Die Südwestlage wird mit äußerst niedrigen Erträgen bewirtschaftet und hätte im Burgund spielend den Rang eines Grand Cru. Mit Handlese, Spontanvergärung ohne künstliche Hefen und dem Ausbau in großen slowenischen Fässern gehört die ‚Azienda Agricola Giuseppe Mascarello e Figlio‘ zu den Traditionalisten des Barolo. Gleiches gilt für Namensvetter Bartolo Mascarello, dessen Weine spielend 30-40 Jahre altern können. Auch Roberto Conterno vom Weingut Giacomo Conterno aus Monforte d'Alba würde sich hier einsortieren, denn er hält sich an die Regeln seiner Vorfahren: Nur penibel selektierte Trauben, bis zu einem Monat Maischestandzeit, nicht Filtrieren, nicht Schönen – nur der reine Wein mit viel, viel Zeit. Der Barolo Riserva Monfortino von Conterno ist einer der Besten, die Sie für Geld bekommen können. Auch Roberto und Franco Massolino möchten „jede einzelne Nuance bewahren“. Wein ist für die Beiden immer ganzheitlich: Rebe, Boden, Lagenexposition, Klima und der traditionsbewusste Piemonteser als Faktor, der alles zusammenhält. Winzer Bruno Giacosa ist 2018 verstorben, hat aber seiner Tochter Bruna und dem Team ein paar Leitmotive mitgegeben. Das Wichtigste ist zweifellos: Ein Barolo soll nicht nur schwarz und stark sein, sondern voll eleganter Finesse: Seine Weine sind vielleicht die burgundischsten der Region.
Angelo Gaja und die Barolo Boys
Man hat sie ‚Barolo Boys‘ oder auch schon ‚Junge Wilde‘ genannt – das ist vielleicht eine Umdrehung zu viel. Was jedoch Winzer wie Elio Altare oder Luciano Sandrone auszeichnet, ist Weltläufigkeit und Neugier. Von ihren Reisen brachten sie Ideen mit, die einen Barolo zugänglicher machten, weniger tanninbetont. Kürzere Maischezeiten und keine Angst vor dem Barriquefass –das führte zu charmanteren Baroli, die viele Freunde fanden. Der prominenteste Erneuerer ist mit Sicherheit Angelo Gaja, von seinen Verehrern ehrfürchtig ‚Angelo nazionale‘ genannt. Er veränderte nicht nur Anbau- und Kellertechnik, sondern bewirkte vor allem, dass der Barbaresco nicht mehr im Schatten des Barolo steht, sondern im hellen Glanz der internationalen Weingenießer und Weinkritiker gleichermaßen: die Bewertungen haben mehr als einmal haben die 100 Punkte erreicht.
Supertuscan – Aufstand in der Toskana
Von einer regelrechten Revolution ist aus der Toskana zu berichten: Die Aufständischen weigerten sich zu glauben, dass ausschließlich mit den Rebsorten, die in DOC- oder DOCG-Regeln verewigt sind, seligmachende Weine entstehen. Nichts gegen Sangiovese und Canaiolo, aber diese Winzer wollten und konnten auch Cabernet Sauvignon, Merlot oder Syrah anbauen, wollten sie reinsortig oder als Cuvée, so wie es ihnen gefiel und dem Wein am Ende nützte. Treibende Kraft war hier die bedeutendste Weindynastie Italiens, in personam Piero Antinori und sein Chefönologe Giacomo Tachis. Unter ihrer Regie entstand – das war schon sehr frech – Vino da Tavola, denn die DOC-Regulierer lehnten diesen neumodischen Kram ab. Nicht aber die Weinwelt, die Supertuscans wie Tignanello mit Wonne austranken. Ein richtiges Nest der Widerspenstigen bildete sich in der Maremma rund um den Ort Bolgheri: Ein Sassicaia der Tenuta San Guido oder ein Masseto der Tenuta dell‘ Ornellaia wurden zum Inbegriff der italienischen Weinelite. Oft in die Riege der Supertuscans einsortiert wird auch der Kultwein Le Pergole Torte des Weinguts Montevertine aus Radda in Chianti. Doch der Fall liegt etwas anders. Denn als der Industrielle Sergio Manetti 1967 sein Weingut gründete, interessierte er sich kein Stück für französische Rebsorten, sondern wollte zu 100% auf die alteingesessene rote Sangiovese-Traube setzen. Doch wieder verbaten die DOC-Regeln dies – eine Beimischung von weißen Rebsäften war damals Pflicht. Manetti scherte sich nicht darum und füllte ebenfalls einen Vino da Tavola (später einen Toscana Indicazione Geografica Tipica/IGT) von erlesener Qualität ab. Le Pergole Torte ist eine große Weinpersönlichkeit aus inzwischen sehr alten Reben: elegant und raffiniert, kraftvoll und sinnlich. Und jedes Sammlerherz schlägt noch höher, weil die Etiketten mit Bildern des Malers Alberto Manfredi jährlich wechseln.
Ein Brunello bleibt ein Brunello
Auch 1,5 Autostunden weiter südlich, bei Montalcino, finden wir ein Weingut, das die Fahne der Sangiovese-Rebe hochhält (hier heißt sie Sangiovese grosso oder Brunello). Gianfranco Soldera war der Gründer der Azienda Agricola Case Basse und auch dieser Anfang 2019 verstorbene Mann war eher ein Dickschädel, oder, positiv ausgedrückt, ein Purist. Die Diskussion im Brunello-Konsortium, ob man nicht ein wenig Merlot in den Brunello schütten könne, war für ihn pure Barbarei. Eine schlechte Nachricht musste er Ende 2012 verkraften: Die Jahrgänge 2007 bis 2012 fielen fast gänzlich einem Anschlag zum Opfer. Unbekannte drangen in den Keller ein und öffneten die Hähne von zehn großen Holzfässern mit 62.000 Litern Wein. Die gute Nachricht: Case Basse überstand die Krise und setzte den Weg der Biodiversität, 100% Brunello, Spontanvergärung, Reifung in großen Fässern, aber auch der hochwissenschaftlichen mikrobiologischen Kontrolle seiner Weine unbeirrt fort. Sie zählen zu den besten und rarsten Brunelli, die international zu haben sind.
Mehr geht nicht: Amarone meditazione
Das Finale eines großen mehrgängigen Menüs findet nicht selten nach dem Essen statt: mit dem – so nennen das die Italiener – Vino meditazione. Einer der schönsten Weine zum Meditieren und Philosophieren ist eine Amarone aus Valpolicella. Und einer der besten überhaupt stammt von Giuseppe Quintarelli. Nur in den allerbesten Jahren wird ein Amarone gemacht. Handarbeit, penible Selektion, kleinste Mengen und eine lange Lagerung kennzeichnen die Handschrift dieses ikonischen Weinguts. Mit einem Glas von Quintarelli bringen Sie die Welt wieder in Ordnung – versprochen.