Für gläubige Katholiken wäre eine Audienz beim Papst sicher das Höchstmaß an Erfüllung. Wahre Weinfreund:innen sehnen sich nach einem Besuch bei Egon Müller an der Saar. Denn dort im Scharzhof liegt der heilige Gral des Riesling-Kults.
Im Gegensatz zu Indiana Jones müssen wir von WeinArt keine halsbrecherischen Abenteuer bestehen, um ans Ziel unserer Träume zu gelangen. Wir werden dorthin eingeladen. Als getreue Egon Müller-Geschäftspartner und erfolgreiche Jäger seiner Auktionsschätze genießen wir das Privileg, einmal im Jahr nach Wiltingen pilgern zu dürfen.
Am Freitag, dem 12. November war es wieder soweit. Gestärkt vom sehr guten Frühstücksbuffet des traditionsreichen Trierer Hotels Eurener Hof trafen wir gegen 10.00 Uhr auf einen sichtlich entspannten Egon Müller.
Der Scharzhofberg war noch in dichten, nasskalten Nebel gehüllt, doch beim Eintritt in die Vorhalle des Scharzhofs lichtete sich die November-Tristesse. In der Regel lässt uns Egon Müller dort seinen noch nicht gefüllten aktuellen Jahrgang verkosten, doch der 2020er steht bereits in den bestsortierten Weinregalen aller Herren Länder, selbstverständlich auch bei uns in Geisenheim.
So führte er uns direkt in den heiligen Gral, den heimeligen Salon voller Bücher, Andenken und dem weichen Sofa-Sessel Ensemble, in welchem wir so gerne versinken, um uns auf die Welt gereifter Spitzen-Rieslinge einzulassen. Sie werden jetzt sicher einwenden, dass der heilige Gral eigentlich doch Egon Müllers Keller sein müsste, doch weit gefehlt. Das Wort dafür ist Paradies. Bis wir dort ankommen, möchten wir allerdings noch reichlich in irdischen Genüssen schwelgen.
Braune Kupp zum Frühstück
Unser zweites Frühstück bestand aus drei Weinen. Wahrscheinlich waren wir unter den Ersten, die eine 2021er Wiltinger Braune Kupp Spätlese aus Egon Müllers zweitem Weingut Le Gallais verkosten durften. Seit 1954 bewirtschaften Müllers diese Lage, welche ursprünglich der Familie Le Gallais gehörte.
2021 Wiltinger Braune Kupp Spätlese
Dieser Wein hatte gerade erst seine Gärung beendet und wurde zur Probe frisch aus dem Fass gezogen. Naturtrüb, hefig, unfiltriert. Jede Menge Mineralstoffe und Vitamine. Der Jahrgang 2021 stellte Deutschlands Winzer:innen in allen Anbaugebieten unter enorme Herausforderungen. Mehrheitlich finden sich überall durch Krankheiten, Fäulnis und Unreife deutlich reduzierte Mengen. Egon Müller jedoch ist nicht nur zufrieden, sondern er zieht bei aller Vorsicht einen Vergleich zum großen Jahrgang 1990, dem letzten, den sein Vater Egon Müller III vinifiziert hatte. In der Tat zeigt dieser Jungwein eine innere Spannung, die eine 100 Watt Birne überlasten würde. High Voltage Rock’n’Roll, um es mit den Musikern von AC/DC auf den Punkt zu bringen. Es ist eine echte Spätlese wie vor dem Klimawandel. Feinste, unaufdringliche Süße im Wechselspiel mit pikanter Säure. Die im Vergleich zum berühmten Scharzhofberg etwas wärmere, nach Süden ausgerichtete Braune Kupp hatte möglicherweise 2021 einen Vorteil. Wir werden diesen mehr als vielversprechenden Wein verfolgen.
1990 Wiltinger Braune Kupp Auslese
Um uns seinen Vergleich von 2021 mit 1990 zu verdeutlichen, stellte uns Egon Müller eine in jeder Hinsicht makellose Flasche 1990er Wiltinger Braune Kupp Auslese auf den Tisch. Reintönig entströmten dem Glas Noten von getrockneten Aprikosen, steinigem Schiefer, Kräutern und Waldhonig. Am Gaumen zeigte sich einerseits die hohe Reife der gesunden, vollkommen botrytisfreien Trauben des Jahrgangs 1990 mit edler, glockenklarer Fruchtsüße und andererseits seine noch immer prägnante Säure. Heutzutage würde man diese Art von Wein als Spätlese deklarieren, aber seinerzeit waren Weine mit 90° Oechsle automatisch Auslese. Wenn sich der 2021er bei Egon Müller tatsächlich so entwickelt wie dieses Vorbild: Hut ab, Portemonnaie auf und kaufen, kaufen, kaufen.
1997 Wiltinger Braune Kupp Spätlese Versteigerung
An der Saar war der Jahrgang 1997 herausragend, vielleicht sogar der hochwertigste Jahrgang des Jahrzehnts. Wir haben in den vergangenen Jahren zahlreiche grandiose 1997er Saar-Rieslinge trinken dürfen. Neben den Weinen von Egon Müller sind beispielsweise auch die sensationellen Auslesen von Forstmeister Geltz Zilliken unbeschreiblich intensiv, komplex und von scheinbar ewiger Jugend. Die 1997er Versteigerungs-Spätlese aus der Kupp war schlichtweg betörend. Zart von Botrytis berührt, zeigten sich reifer Pfirsich, Aprikosenlikör, Honig und warme florale Noten. Goldener Oktober im Glas, aber farblich deutlich heller als der 1990er und sogar noch mit Grünreflexen. Einer saftigen Fruchtsüße stand eine frische, stützende Säure zur Seite. Vielschichtig, verspielt und aromatisch. Ein Bilderbuch-Riesling, den wir mit größtem Vergnügen, wie im heiligen Riesling-Gral üblich, bis zur Neige auskosteten.
Nachtrag
Nicht nur wir fühlen uns in diesem Salon wohl. Am Fenster tummelte sich ein munterer Schmetterling - in Tagpfauenauge Mitte November. Wahrscheinlich beseelt und am Leben erhalten vom Duft feinster Saar-Rieslinge…
Unser Weinfrühstück schaffte jedenfalls eine hervorragende Grundlage für die um 13.00 Uhr beginnende GROSSER RING VDP-Mosel Versteigerung, bei der nicht nur Egon Müller nach 365 Tagen Arbeit rund um den Riesling eine reiche „Ernte“ einfahren durfte.
Sie finden unsere gepflegte Sammlung begehrenswerter Egon Müller Weine in unserem Webshop.