In der vergangenen Woche stand das Jahr 1990 im Fokus. Nicht nur politisch war es unvergesslich, auch für Winzer und Weinfreunde. Nahezu in allen bekannten Weinregionen war 1990 ein herausragender Jahrgang, der bis heute nichts von seinem Glanz verloren hat. Für einen privaten Feiertag öffnete ich abends zwei Flaschen 1990er, die sich beide seit Beginn ihrer Vermarktung in meinem Besitz befanden.
Zum Aperitif wählte ich:
1990 Champagne Bollinger R.D. extra Brut
Meine Flasche 1990 R.D. wurde im September 2002 degorgiert. Die ungewöhnlich lange Lagerzeit auf der Hefe bildete die Basis dafür, dass 1990er Bollinger R.D. im Alter von 29 noch immer brilliert. Natürlich perlt er nicht wie ein junger Champagner, was manch einer irritierend finden mag. Meine Flasche schäumte anfangs noch ein wenig. Nach kurzer Zeit im Glas trat der Charakter des R.D. als großer Wein zu Tage. In Perfektion.
Sein Bouquet duftete fein nach geröstetem Brot und Nüssen, am Gaumen wirkte es, als wäre die Kohlensäure mit dem Wein eine wundervolle Verbindung eingegangen. Sie sorgte für Frische und hob die feinen Fruchtaromen hervor. Beschwingte Eleganz und tänzerische Verspieltheit. Außerordentliche Länge, ein reintöniger, enorm charaktervoller Champagner, der sich bei jedem Schluck die volle Aufmerksamkeit sicherte.
Der 1990er Bollinger R.D. hat sehr lange Anlauf genommen, um vollständig zu erblühen. Alles hat und bekommt seine Zeit und in diesem Fall hat sich die Geduld mit Zinseszins ausgezahlt. Der 1990er Bollinger R.D. ist ein wahrhaft edler Tropfen. Wohl denen, die ihn noch im Keller haben.
1990 Domaine de Trévallon rouge
Auch zum zweiten 1990er des Abends habe ich eine enge Beziehung. Er stammt aus den Alpilles, den kleinen Alpen nahe St.-Remy-de-Provence. Eine meiner liebsten Urlaubs-Regionen in Frankreich, über die ich hier auch schon geschrieben habe. Domaine de Trévallon gehört inzwischen zur Spitze in Südfrankreich.
Bereits 1973 pflanzte Eloi Dürrbach auf 15 ha Fläche hälftig Syrah und Cabernet Sauvignon. Der hohe Anteil Cabernet Sauvignon wurde von den Weinbehörden als untypisch für die Region betrachtet und so erkannte man dem Rotwein in den 1990er Jahren die "Coteaux d’Aix en Provence" Appellation ab. Im Nachhinein beflügelte diese Entscheidung sogar den Ruhm des Weinguts. Allerdings war der 1990er zum Zeitpunkt der Aberkennung bereits hochangesehen. Aus heutiger Sicht ist der 1990er der wohl beste rote Trévallon, der je erzeugt wurde.
Meine hier geköpfte letzte Flasche 1990er Trévallon hatte eine Füllhöhe an der oberen Grenze des Flaschenhalses. Das ist für sein Alter gut, ließ es aber trotzdem ratsam erscheinen, ihn nicht weitere zehn Jahre oder länger zu hüten. Ich habe den Wein nur kurz dekantiert, um ihn vom Depot zu trennen. Farbe sehr gesund, ein sattes Dunkelrot mit nur ansatzweise braunem Rande. Im Glas entwickelte er sich rasch zur Höchstform. Sein Bouquet verhieß Süße und viel Frucht. Keinerlei oxidative Noten wie Heu, auch keine Unsauberkeiten.
Ideal ausgereifter Cabernet Sauvignon sorgte für das stützendes Gerüst der saftigen Syrah-Frucht, die Tannine weich und angenehm. Die Säure zeigte nur beim ersten Schluck ihre Spitzen, danach trug sie zum frischen, lebendigen Gesamtkunstwerk bei. Sehr harmonisch, würzig, feine Kräuternoten. Enorm viel Saft und Kraft bei lediglich 12,7% Vol. Ein großer Wein, der zum Mahl des Abends vorzüglich passte.
Letzteres möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, es ist narrensicher in der Zubereitung und geschmacklich eine Offenbarung:
Rinderfilet mit Kräutern aus dem Ofen
Sie nehmen ca. 500 g Rinderfilet vom Metzger Ihres Vertrauens. Nicht anbraten. Filet dünn mit feinem französischem Senf einreiben. Frische Kräuter Ihrer Wahl nehmen, bei uns waren es Zweige von Thymian, Estragon und wenig Rosmarin. Die Zweige um das Filet herum platzieren, das Ganze in Alufolie einwickeln und in eine flache Kokotte legen. Ofen auf 100°C vorheizen, Ober- und Unterhitze. Fleischthermometer in das Filet stecken.
Im Ofen bei genannter Gradzahl garen bis die Kerntemperatur des Filets das gewünschte Stadium erreicht hat. Bei 50°C ist das Filet noch blutig, bei 60°C rosa. Die Garzeit kann zwei Stunden betragen, also rechtzeitig in den Ofen damit! Herausnehmen, fünf Minuten ruhen lassen. In Scheiben schneiden und die Filetstücke nach Geschmack pfeffern und salzen. Die Kräuteraromen ziehen perfekt in das Fleisch und machen jede Sauce überflüssig. Dazu haben wir Kartoffel-Sellerie-Püree serviert. Guten Appetit.
Autor: Hans-Jürgen Teßnow