KARAFFIEREN, DEKANTIEREN ODER EINFACH FLASCHE AUF UND TRINKEN
Heute nähern wir uns mal einem Thema, mit dem Sie sich als Weingenießer/in sicher schon sehr oft beschäftigt haben. Es geht um den nächsten Schritt, nachdem Sie eine Flasche Wein oder Schaumwein geöffnet haben. Karaffieren, dekantieren, oder genießen Sie einfach ohne Umwege, was da aus der Flasche kommt?
Man muss kein Weinprofi sein um festzustellen, dass sich fast jeder Wein nach dem Öffnen verändert, und das nicht nur in der Temperatur. Als Genießer/in des edlen Rebensafts steht man stets vor einem Dilemma. Ist es überhaupt gewollt, dass sich der Wein oder Schaumwein groß verändert und falls ja, in welche Richtung? So eine feine Flasche Wein kann einen Berg voller Fragen aufwerfen. Es wird Zeit, diesen ehrfurchtgebietenden Berg abzubauen oder zumindest in einen idyllischen Hügel zu verwandeln.
Ohne feste Grundlage gerät man schnell ins Wanken… denn:
WORIN BESTEHT DER UNTERSCHIED ZWISCHEN DEKANTIEREN UND KARAFFIEREN
Karaffieren bedeutet, dass man eine Flasche Wein in eine Karaffe umfüllt. Einziger Zweck ist die sogenannte Belüftung des Weins, man lässt ihn atmen. Ziel ist, dass sich die seine Aromen entfalten können, bzw. die nicht unbedingt erwünschte Aromen sich durch den Sauerstoffkontakt verflüchtigen. Die im Gegensatz zum engen Hals der geöffneten Flasche wesentlich größere Oberfläche bewirkt einen intensiven Austausch mit dem Sauerstoff.
Dekantieren hingegen dient der Abtrennung der Trübstoffe, die sich möglichweise im Laufe der Lagerung am Boden in der Weinflasche abgesetzt haben, vom klaren Wein oberhalb. Diese Trübstoffe nennt man auch Sediment oder Depot. Das Depot ist selbstverständlich nicht „giftig“, aber wenn es durch unsachgemäße Handhabung der Flasche vor oder während des Öffnens aufgewirbelt wird (Schütteln, zu hastiges Kippen, Flasche auf den Kopf stellen, statt aufrechtstehend oder liegend zum Tisch transportieren), trübt sich der Wein nicht nur ein, sondern er verändert auch seinen Duft und Geschmack. Man sagt, dass sich im Depot des Weins alle seine guten und schlechten Eigenschaften konzentrieren. Da ist was dran. Das Depot eines grünen, unreifen Bordeaux Jahrgangs wie 1984 oder 1987 schmeckt adstringierend und bitter, während es von einem reifen, großen Jahrgang wie 1982 oder 1961 süß und fruchtbetont wirkt.
Jetzt haben wir gewichtige Gründe für das Dekantieren abgehakt. Jeder Gast sollte bei einer Probe möglichst klaren Wein im Glas haben, damit er/sie den Wein so wahrnehmen kann, wie er tatsächlich ist.
WIE DEKANTIERE ICH EINEN WEIN?
Hier die klassische Methode:
• Eine Kerze anzuzünden (am besten eine Stabkerze)
• Die Flasche behutsam öffnen
• In einer Hand einen Dekanter schräg in Richtung der Kerze halten, in der anderen Hand die Flasche ebenfalls geneigt halten, und zwar so, dass sich der Flaschenhals nicht zu nah oberhalb der brennenden Kerze befindet. Sie müssen den Punkt finden, wo das Kerzenlicht von unten durch den Flaschenhals scheint und Sie den Wein darin klar erkennen können.
• Langsam, ohne dass der Wein in der Flasche gluckert, in die Karaffe gießen. Dabei beobachten Sie stets die Klarheit des Weins im Flaschenhals. Sobald sich dort die ersten Trübstoffe zeigen, beenden Sie das Eingießen. Das Depot verbleibt in der Flasche.
Dekantieren 2.0 (geht natürlich auch)
Sie ersetzen das Kerzenlicht einfach mit der Taschenlampenfunktion Ihres Smartphones. Das funktioniert einwandfrei und es entsteht keine Hitze unter dem Flaschenhals.
Wenn Sie den Wein aus dem Dekanter getrunken haben, probieren Sie das Depot und schmecken Sie den Unterschied zum klaren Wein. Viel Freude damit.
WELCHE WEINE SOLLTE MAN KARAFFIEREN
Hier scheiden sich die Geister, die ich mit diesem Artikel gerufen habe. Aber es gibt Rebsorten oder Weine, bei denen ein breiter Konsens besteht. Fangen wir bei den Rebsorten an. Sie unterscheiden sich häufig sehr deutlich voneinander durch ihre Anfälligkeit zur Oxidation. Oxidation verwende ich hier im Sinne von hoher Neigung zur Veränderung durch Sauerstoff. Grenache, eine Hauptsorte in vielen Rotweinen der südlichen Rhône, reagiert sehr schnell mit Luft, was bedeutet, dass sich ein Grenache‐dominierter Wein aromatisch sehr schnell entfaltet, sobald er die Flasche verlässt. Daraus folgt: Grenache entweder gar nicht karaffieren oder maximal eine Stunde.
Die rote Hauptrebsorte der nördlichen Rhône, Syrah, hingegen reagiert deutlich langsamer mit Sauerstoff, sie hat einen sogenannt REDUKTIVEN Charakter. Es empfiehlt sich also, Syrah‐betonte Weine deutlich länger zu karaffieren. Bei Syrah gibt es sogar einen zweiten Grund dafür. Die Seine reduktive Art geht häufig mit nicht besonders appetitlichen Stallaromen einher: Pferdeschweiß, Hühnerstall… Sie wissen, was ich meine. Hier hat ein jeder/eine jede seine/ihre eigene Toleranz. In der Karaffe verschwinden diese Duftnoten und anregende Aromen von dunklen Beeren und weißem Pfeffer kommen zum Vorschein.
Manche tanninreiche Rebsorten wiederum verlangen unbedingt nach viel Sauerstoff: Cabernet Sauvignon, Malbec, Tannat und ganz besonders Nebbiolo, die Sorte, aus der Barolo und Barbaresco stammen. Diese Piemonteser Spitzenweine können Sie etliche Stunden karaffieren, ohne dass Sie das Risiko eingehen, dass später alle Aromen „verduftet“ sind.
Pinot Noir, zu Deutsch Spätburgunder, muss meines Erachtens hingegen nicht karaffiert werden. Aber keine Regel ohne Ausnahme: Es gibt einige Winzer/innen, die Pinot Noir mit einem hohen Ganztrauben‐Anteil vergären lassen. Das bedeutet, es sind nicht nur die Beeren im Gärbehälter sondern die Beeren hängen noch an den Rappen. Diese Rappen geben dem Wein mehr Gerbstoffe, der Pinot Noir wird dadurch fester, straffer. Gerbstoff verlangt nach Sauerstoff. Sollten Sie also einen Wein der Domaine de la Romanée‐Conti genießen, würde ich ihn je nach Jahrgang und Alter mindestens eine, gerne aber auch zwei Stunden karaffieren.
Garantiert nicht karaffieren müssen Sie Weine aus der Rebsorte Gamay, beispielsweise sämtliche Beaujolais‐Weine oder Dolcetto. Sie zeigen sich frisch eingeschenkt umgehend von ihrer besten Seite.
Rotweine aus Rebsorten mit höherer Säure wie Blaufränkisch, Barbera oder Sangiovese (z.B. alle Chianti‐Weine) sollten karaffiert werden, damit sich die Säure über den Sauerstoff mildert und so die Frucht die Oberhand gewinnt.
SOLLTE MAN AUCH WEISSWEIN KARAFFIEREN
Die große Mehrzahl der Weißweine muss nicht wirklich karaffiert werden. Machen Sie sich hier bitte nicht zu viele Gedanken, sofern Sie nicht so weinverrückt sind wie wir. Aroma‐Rebsorten wie Gewürztraminer, Muskateller aber auch Rebsorten wie Grauburgunder, Weißburgunder und Müller‐Thurgau brauchen keinen zusätzlichen Sauerstoff.
Interessant wird es beim Riesling. Fruchtbetonte, restsüße und sämtliche im Edelstahltank ausgebauten Riesling‐Weine benötigen keinen zusätzlichen Sauerstoff, um sich optimal zu zeigen. Allerdings haben wir die Erfahrung gemacht, dass es sich wirklich lohnt, die großen trockenen, im Holzfass ausgebauten Rieslinge zu karaffieren. Insbesondere, wenn sie biodynamisch angebaut sind oder von Schieferböden stammen. Das sind allerdings rein subjektive Empfindungen ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Gewächse von Dr. Bürklin Wolf und A. Christmann legen im Dekanter gewaltig an Ausdruck zu, speziell wenn es sich um junge Jahrgänge handelt. An der Mosel sind es die z.B. Weine von Markus Molitor, die hier enorm gewinnen. Wenn Sie unsicher sind, nutzen Sie unsere Expertise, um den größtmöglichen Genuss zu erreichen.
Bei Chardonnay kommt es auf das Terroir und den Ausbau an. Die auf den kreide‐ /kalksteinhaltigen Böden des Chablis gewachsenen, mineralisch, straff und kühl wirkenden Chardonnays werden durch Belüftung noch facettenreicher. Körperreiche, schwere Chardonnays mit deutlichen Butter‐/Vanille‐ und/oder intensiven Röstaromen müssen nicht karaffiert werden.
In jedem Fall würden wir sämtliche trockenen Chenin Blanc‐Weine karaffieren. Diese Rebsorte schnappt geradezu nach Luft. Saumur Blanc, Savennières und Clos de la Coulée de Serrant sind hier zu nennen.
KANN ODER SOLLTE MAN SCHAUMWEIN UMGIESSEN
Generell eher nicht. Der Aufwand lohnt sich aber bei besten Jahrgangs‐Champagnern aus großen Jahren wie 2008, die momentan eigentlich noch zu jung sind. Winzer‐Champagner, die im Holzfass ausgebaut wurden, kann man ebenfalls kurz karaffieren, damit sich die Holznoten besser mit der Frucht verbinden. In allen Fällen maximal 30 Minuten, damit nicht zu viel Perlage verloren geht.
Sie gehen wie folgt vor:
• Stellen Sie vorab den Dekanter ins Eisfach. So sorgen Sie dafür, dass beim Umgießen weniger Kohlensäure entweicht.
• Stellen Sie sicher, dass der Champagner/Cava/Sekt/Crémant danach im Dekanter kühl gelagert wird
• Genießen Sie ihn allenfalls eine halbe Stunde später.
Wir haben auch schon ältere Champagner karaffiert, beispielsweise vor langer Zeit mal 1982er Bollinger RD. Hier diente der Vorgang erfolgreich dazu, leicht fassige Aromen verschwinden zu lassen.
UND WAS IST MIT SOGENANNTEN NATURWEINEN?
Oft sind Naturweine wenig oder gar nicht geschwefelt und nicht filtriert. Dekantieren macht durch die natürliche Trübung der Weine und den hohen Anteil von Depot keinen Sinn. Da Schwefel nicht nur konserviert, sondern auch Aromen bindet, entwickeln sich die schwefelarmen/schwefelfreien Naturweine im Nu im Glas. Kurzes Karaffieren ist aber eine gute Maßnahme, um manchmal noch vorhandene Kohlensäure in weißen und roten Naturweinen entweichen zu lassen. Hier können Sie sie die Weine auch heftig im Dekanter schwenken oder mehrmals zwischen zwei Karaffen umschütten, bis die Kohlensäure verschwindet.
DAS BESTE ZUM SCHLUSS
Sie allein bestimmen stets, wie Sie mit einer guten Flasche Wein umgehen. Falls Sie mit Dekantieren und Karaffieren nichts am Hut haben, kein Problem. Hauptsache ist, dass Sie große Freude an Ihren Weinen empfinden. Bei Zweifeln über das weitere Vorgehen mit Ihrem Wein: Probieren Sie einfach einen Schluck und entscheiden dann, ob Sie dekantieren, karaffieren oder ihn ohne Umschweife gleich genießen. In unserem Shop bieten wir Ihnen zu diesem Zweck für jeden Anlass eine herausragende Wein‐ und Schaumwein Auswahl. Zum Wohl!