Ende Juli 2021 hat unser WeinArt Team das Burgund bereist. Die seit Beginn der Corona Pandemie lang ersehnte erste Weinreise nach Frankreich übertraf alle Erwartungen. Heute berichte ich von der letzten Station, die ich bewusst herausheben möchte:
Vincent Dauvissat in Chablis
Zusammen mit François Raveneau verkörpert Vincent Dauvissat nicht nur die Spitze der Chablis Region, sondern zählen diese beiden Domänen zur Crème de la Crème der französischen Weißweinerzeuger. Um diese Ausnahmestellung annähernd angemessen zu würdigen, hole ich etwas weiter aus.
Ein Blick in die Vergangenheit
Überspringen wir die Römer, die schon im 3. Jahrhundert nach Christi Wein im Chablis angebaut haben. Im 9. Jahrhundert flüchteten Benediktiner-Mönche vor den Wikingern in die Region um Auxerre und erhielten später von König Karl dem Kahlen die Ortschaft Chablis. Dort widmeten sie sich unter anderem dem Weinbau. Im Jahre 1114 gründete der Zisterzienserorden unter Hugues de Macon das Kloster von Pontigny. Durch Spenden und Erbschaften gelangten Weinberge rund um Chablis in Ordensbesitz. Die Mönche pflegten und förderten den Weinbau wie ihre Brüder an der Côte d’Or oder im Rheingau, im allseits bekannten Kloster Eberbach. Chablis-Weine genossen in ganz Frankreich hohes Ansehen. Ende des 19. Jahrhunderts sorgten die Reblaus und Krankheiten wie Mehltau für den Niedergang des Weinbaus in der Gegend. Der hohe Blutzoll des ersten Weltkriegs tat sein Übriges und so standen 1955 gerade einmal 550 ha Reben im Ertrag. Als 1957 der große Frost kam, schien es um Chablis endgültig geschehen zu sein. Doch weit gefehlt. Durch weinbautechnische Neuerungen und unermüdlichen Fleiß war ab 1970 „Chablis“ buchstäblich in aller Munde. Der Begriff wurde im englischsprachigen Bereich, speziell in den USA, ein Synonym für alle „leichten, süffigen Weißweine“ aus Frankreich.
Die Klassifizierung von Chablis
Heute sind knapp es 5.800 ha Reben, die unter den vier Appellationen Petit Chablis, Chablis, Chablis Premier Cru und Chablis Grand Cru zusammengefasst werden. Lediglich 1 % der Anbaufläche ist der höchsten Klassifikation Chablis Grand Cru vorbehalten, von denen es sieben gibt: Blanchot, Bougros, Les Clos, Grenouilles, Preuses, Valmur und Vaudésir. Die Chablis Premier Cru-Lagen machen hingegen 14% der Fläche aus. Rund um den Ort liegen 40 verschiedene Premier Crus, von denen die Hälfte bereits im 15. Jahrhundert ihren Lagennamen innehatte. Interessantes Detail: 17 der Premier Crus werden als „Porte drapeau“ (übersetzt Fahnenträger) bezeichnet. Das bedeutet beispielsweise: Montmains ist einer der 17 „Porte drapeaux“. Teil dieser Premier Cru Lage sind die Parzellen „Forêts (bei Dauvissat La Forest genannt) und Butteaux. Jede Domaine kann entscheiden, ob die aus dem Montmains gewonnenen Weine unter der übergeordneten Appellation Chablis Premier Cru Montmains oder dem Namen der darin liegenden Parzelle Forêts bzw. Butteaux vermarktet wird, sofern die Trauben aus diesen stammen.
Das Terroir von Chablis und seine flüssige Übersetzung
Das Chablis Gebiet wird von einer einzigen Rebsorte geprägt: Chardonnay. Weltweit erfolgreich angebaut, ist sie im Chablis in der Lage, den einzigartigen Böden der Region ein unverwechselbares Geschmacksbild abzugewinnen. Alles dreht sich hier um Kalk, erdgeschichtlich im Jura-Zeitalter vor 150 Millionen Jahren entstanden. Kalkstein, fossile Austern und Mergel in hoher Konzentration bilden den Untergrund der hiesigen Chardonnay-Reben. Das halbkontinentale Klima bietet gute Reifebedingungen, so dass im Chablis idealerweise eine Balance zwischen präziser Frucht und belebender Säure besteht.
Unser Besuch bei Vincent Dauvissat
An jenem Samstagmorgen Ende Juli empfing uns ein gutgelaunter Vincent Dauvissat. Im Keller probierten wir uns durch das Portfolio seiner Lagen des Jahrgangs 2020, während seine Begeisterung für die feinen Unterschiede zwischen den verschiedenen Lagen und Weinen Schluck für Schluck auf uns übersprang. In der Tat zählten diese 2020er zu den Weißwein-Höhepunkten unserer Reise. Es ist spektakulär, was an Mineralität, Rasse und Klasse am Gaumen landet, sich dort eindrücklich präsentiert und scheinbar ewig verweilt. Vincent und seine Töchter Etiennette und Ghislaine bewirtschaften rund 12 ha und sind damit rundherum zufrieden, zumal die Rebflächen im Chablis, ähnlich wie an der Côte d’Or, ein Preisniveau erreicht haben, dass sich ein Familienbetrieb kaum Zukauf leisten kann.
WeinArt und Vincent Dauvissat
Wir sind sehr glücklich, seit knapp 30 Jahren mit der Familie Dauvissat zusammenzuarbeiten. Vincent staunte nicht schlecht, als wir ihm unseren ersten WeinArt Katalog von 1992 zeigten, in welchem er neben seinem Vater René abgebildet war. Corona hatte zumindest eine positive Auswirkung. In der Krise standen wir zusammen und ohne näher in Details zu gehen, führte dies dazu, dass wir jetzt jedes Jahr einige Kartons zusätzlich erhalten. Preziosen wie beispielsweise die frisch aus der Schatzkammer gelieferten 2014er und 2015er Chablis Weine zeigen die herausragende Klasse von Dauvissat. Die kalkige, kühl-würzige Mineralität ist nirgendwo sonst erreichbar und bei Winzern wie diesem zeigt sie sich in Vollendung. Zum Schluss der Degustation servierte uns Vincent eine kellerkühle Flasche und ließ uns raten: Die helle Farbe mit Grün-Reflexen im Glas, die sofort aufsteigende steinig-kräuterige Aromatik, die grandiose Mineralität und Frische am Gaumen ließen uns an einen maximal zehn Jahre alten Grand Cru denken. Doch es war ein 2002er Chablis Grand Cru Les Clos! Er stellte sogar die beiden 2015er Chablis Les Clos-Weine in den Schatten, die wir am Abend zuvor in einem Restaurant getrunken hatten. Ein großzügiges Geschenk und ein denkwürdiges Erlebnis, dass wir diesen monumentalen Wein genießen durften. Ein Wermutstropfen, wohl eher eine Magnumflasche, ist der bisherige Vegetationsverlauf im Jahr 2021. Vincent rechnet mit 90% Ausfall, weil Hagel, Rebkrankheiten und vor allem der über drei Tage andauernde strenge Frost im späten Frühjahr einen Großteil der zu erwartenden Ernte vernichteten. Vincent Dauvissat merkte man diese tristen Aussichten nicht an, denn er lebt im Einklang mit und von der Natur und wird das Beste aus den verbliebenen Trauben machen. Eine bewundernswerte Persönlichkeit, der wir uns sehr eng verbunden fühlen. Niemals möchten wir seine Chablis-Weine missen und Ihnen legen wir sie so nahe, wie Sie es zulassen… Den Weg vom Keller über Ihren Gaumen bis in Ihr Herz werden die Weine mühelos zurücklegen.Unsere kleine, aber besonders feine Chablis-Auswahl von Dauvissat finden Sie in unserem Webshop. Edlere Chablis Weine werden Sie kaum finden und bedenken Sie, dass es sich um wahre Raritäten handelt, die nur in Kleinstmengen verfügbar sind.
Autor: Hans-Jürgen Teßnow