Am vergangenen Februar Wochenende schenkte uns die Natur einen ersten Eindruck von Frühling. In den Parks sprießen allerorts Schneeglöckchen mit aller Macht aus der Erde, auch Krokusköpfe wurden schon gesichtet. Nach all den Entbehrungen und immer lästiger werdenden Einschränkungen durch die Corona Bekämpfung, konnte man an der frischen Luft durchatmen und die vom grauen Winter fahle Haut von der Sonne verwöhnen lassen.
Bereits am Frühstückstisch machten wir uns Gedanken, wie wir die Freude übers Wetter kulinarisch nicht nur konservieren, sondern auch steigern könnten. Lange schon hatten wir kein Safran-Risotto mehr gegessen. Allein sein Duft ist hochgradig verführerisch, die Aromenvielfalt und die sämige Konsistenz des Risottos für den Gaumen eine nahrhafte Quelle der Glückseligkeit.
Für die Zubereitung des Risottos benötigt man Weißwein. Einige Tage zuvor hatte ich im Keller eine Flasche 1983er Schloss Vollrads Riesling Spätlese Rosasilber trocken entdeckt, deren Korken durchweicht war. Zudem zeigten sich Korrosionsspuren an der Kapsel und Auslaufspuren am Flaschenhals. Das ist immer ein trauriges Zeichen und man sollte eine solche Flasche nicht länger lagern, sondern baldmöglichst trinken. Nun, nach fast 38 Jahren kann ein Korken auch bei optimaler Lagerung am Ende seiner Tage angekommen sein, das ist völlig normal.
Der gut gekühlte 1983er kam also als Kochwein in Frage, ausgerechnet mein Lieblingsjahrgang aus dem Rheingau und zudem eine der seltenen Spätlesen, die Schloss Vollrads in den 1980er Jahren erzeugt hat. Als ich die Flasche behutsam öffnete, dachte ich wehmütig an das intensive, prägende Jahr als Praktikant auf Schloss Vollrads zurück. Wie ich beispielsweise im Februar 1990, also vor genau 31 Jahren, im T-Shirt im Schlossberg gearbeitet habe, weil es so ungewöhnlich warm war.
Meine trockene 83er Spätlese hatte nicht gelitten! Welch eine Überraschung, auch die Farbe war gesund, keineswegs golden oder matt. Im Duft zeigten sich kaum Frucht-, dafür aber sehr feine Feuerstein- und Kräuternoten. Faszinierend! Auch am Gaumen überzeugte der Riesling. Ich hätte vermutet, dass er ausgetrocknet sei und die Säure dominieren würde. Weit gefehlt. Die hohe Säure des Jahrgangs, bei dieser Spätlese 9,1 Promille, verlieh ihm eine anregende, pikante Frische. Von 6,2 g/l Restzucker war noch genug spürbar, um dem Wein eine charmante, dezente Cremigkeit zu geben. Mit 10,96% Vol. war der 1983er in wirklich guter Balance und hatte einen lang bleibenden Nachhall.
Widerwillig opferte ich einen Teil des Weins für das Risotto und ein weiteres Glas für die im Ofen gedünsteten Fenchelstücke, die zusätzlich noch mit ein wenig Knoblauch in feinen Scheiben gewürzt waren. Dazu ein gebratenes Seeteufel-Filet. Der Rest vom 1983er Schloss Vollrads brillierte als vorzüglicher, Appetit anregender Aperitif.
Als Begleitung zu Risotto, Fenchel und Fisch hatte ich einen ganz besonderen Chardonnay aus Neuseeland auserkoren: 2012 Hunting Hill von Kumeu River. Das Weingut wurde von Familie Brajkovich gegründet, die in den 1930er Jahren von Kroatien nach Neuseeland ausgewandert ist. Aufmerksam wurde ich, als in einer Blindverkostung mit edlen Premier und Grand Crus aus dem Burgund der Hunting Hill als Pirat weit vorne landete und zudem von Niemandem als Nicht-Burgunder erkannt wurde. Über die Jahre hat sich WeinArt immer mal wieder einige Kisten davon organisiert. Aus dieser Zeit stammt dieser 2012er, der, beiläufig erwähnt, 2019 im Wine Advocate mit 96 Punkten geadelt wurde.
Obwohl der Hunting Hill Weinberg 2000 komplett neu bestockt wurde, die Chardonnay Reben also noch recht jung sind, verzaubert der 2012er vom ersten Moment an. Im Duft feine, strahlend klare Fruchtnoten, weißer Pfirsich, etwas Citrus, Kräuter, dazu kalkige Aromen und nur ein Hauch von Eichenholz. Ein sehr filigraner, eleganter Chardonnay, durch und durch burgundische Finesse und genügend Saft und Intensität, um mit dem aromatischen Hauptgang perfekt zu harmonieren.
Hoffen wir, dass dieses Wochenende voller Lichtblicke noch in viele weitere münden wird und wir eines Tages wieder unbeschwert mit Familie und Freunden genießen können.
Ich hoffe, dass ich Sie auf Kumeu River neugierig machen konnte. Wir haben derzeit noch den exzellenten 2017er Chardonnay Hunting Hill und ganz frisch einige 2019er Kumeu River Chardonnays am Lager. Bleiben Sie gesund und nicht nur weinmäßig stets offen für Neues.
Hans-Jürgen Teßnow, 23. Februar 2021