Die Jahrgangs-Champagner des Hauses Bollinger verlangen in jedem Entwicklungsstadium allerhöchste Aufmerksamkeit. Wenn man einen La Grande Année oder einen RD einfach mal so nebenbei trinkt, bekommt man vom Charakter dieser Ausnahme-Champagner so viel mit wie jemand, der versucht, direkt neben einer Batterie wütender Presslufthämmer Maria Callas zu lauschen.
Drei Jahrgänge Champagne Bollinger La Grande Année
Am 15. August 2022 haben wir am frühen Abend alle drei bei uns momentan lieferbaren Jahrgänge Champagne Bollinger La Grande Année verkostet. Blind. Unangekündigt vom Chef serviert und ohne Angabe des Themas. Wenn Champagnerflaschen Hände hätten, so hätte ich mir verdientermaßen zwei von drei möglichen Ohrfeigen eingefangen. Ich kann halt nicht innerhalb von fünf Minuten nach Vollendung des Tagwerks auf Urlaubs- oder Festtagsstimmung umschalten. Darum Obacht: Fortan umgehend alle Sensoren auf Empfang bei Bollinger Verkostungen!
2008 Champagne Bollinger La Grande Année
Anfangs präsentierte sich der prämierte und hochgelobte 2008er Jahrgang so fest verschlossen, dass ich nicht einmal die dazugehörige Tür fand. Erst mit einer gehörigen Dosis Luft zeigten sich feine Briochenoten, Röstaromen und später florale Elemente. Momentan liegt die Säure wie ein Deckel auf der Frucht, hier ist wirklich Geduld gefragt. Man muss sich konzentrieren und erst dann erkennt man das riesige Potenzial dieses Champagners. Unter der Oberfläche lauert komprimierte Frucht auf ihre Zeit. Das könnte einige Jahre dauern.
2012 Champagne Bollinger La Grande Année
Der 2012er aus dem wärmeren Jahrgang glänzte hingegen umgehend mit seiner satten, reifen, cremigen Fruchtfülle, seiner „Weinigkeit“ und Dichte. Der Anteil von Pinot Noir im Jahr 2012er liegt bei 65% und dominiert am Gaumen klar die 35% Chardonnay. Dieser Champagner lässt sich bereits in diesem jugendlichen Stadium als vielseitiger Essensbegleiter einsetzen, seine Balance ist bereits herausragend. Seine Klasse war vom ersten Moment an unverkennbar.
2014 Champagne Bollinger La Grande Année
Der 2014er ist ein deutlicher Kontrast zum 2012er. Die Charakterzüge des kühleren Jahrgangs manifestieren sich in Blüten- und Zitrus-Aromen, filigraner, feiner Frucht und anregend pikanter Säure, die ihn insgesamt derzeit noch unruhig und etwas abweisend wirken lassen. Blind habe ich den 2014er unterschätzt. Er ist sehnig und grazil, ideale Anlagen für einen Langstreckenläufer. Geben Sie ihm heute entweder viel Luft oder warten Sie noch zwei, drei Jahre und überbrücken diese mit dem herrlichen 2012er.
Ob Sie sich für 2012 oder 2014 entscheiden, ist eine Frage Ihrer Geschmackspräferenz bzw. wie oder wann Sie den La Grande Année einplanen. Sicher ist nur, dass Sie keinen der beiden verpassen sollten.