Sobald jemand das Wort Bordeaux in den Mund nimmt, denkt alle Welt gleich an Wein. Kenner denken umgehend an Château Pétrus, Château Latour oder Margaux oder träumen gleich von legendären Weinen wie 1947 Cheval Blanc oder 1945 Mouton-Rothschild.
Bordeaux ist das wohl bekannteste Weinbaugebiet der Welt. Wir können uns nicht vorstellen, wie man als Weingenießer ohne Bordeaux durchs Leben kommen sollte. Wenn es Bordeaux nicht gäbe, man müsste es erfinden. Für uns thront Frankreichs Glorie nicht nur auf den drei Säulen Liberté, Égalité und Fraternité, sondern auch auf Bordeaux, Burgunder und Champagner.
Bordeaux und seine Historie
Schon im 6. Jahrhundert v.Chr. führten Phönizier und Griechen Reben in Gallien ein. Die Römer sorgten dafür, dass sich die winterfeste Rebsorte Biturica durchsetzte und sich durch Weinbau Wohlstand entwickelte. Nach dem Untergang des römischen Reiches retteten Mönche die Biturica-Genetik durch die nachfolgenden Jahrhunderte.
Als Henry Plantagenet im Jahr 1152 die Herzogin Eleonore von Aquitanien heiratet, kommen die Engländer ins Spiel. Aus Henry wird später König Heinrich II. von England und unter seiner Herrschaft wird England der wichtigste Handelsplatz für Weine aus Bordeaux. 1199 entsteht in Saint Émilion die erste von 18 Bordelaiser Weinbruderschaften.
Durch die strategisch günstige Lage von Bordeaux nahe dem Atlantik erfährt der Handel mit Bordeaux-Weinen durch die Seemächte England und Holland, aber auch durch die Hanse einen enormen Aufschwung. Bordeaux-Weine sind weltweit verbreitet und begehrt. Daran haben weder der hundertjährige Krieg zwischen Frankreich und England noch die Reblaus-Katastrophe von 1875 bis 1892 etwas geändert.
Klassifizierungen im Bordeaux
Es gibt inzwischen fünf Klassifizierungen in Bordeaux, von denen wir hier nur die drei für uns wichtigsten näher betrachten wollen:
Die älteste und bekannteste ist die von 1855. Hier wurden die führenden Weine des Médoc in fünf Qualitätsstufen eingeteilt. In der höchsten Qualitätsstufe 'Premier Grand Cru Classé' befanden sich bis 1973 lediglich vier Weingüter: Château Latour, Château Lafite-Rothschild, Château Margaux und der einzige Wein, dessen Fläche sich außerhalb des Médocs befindet: Château Haut-Brion, damals im Gebiet Graves; seit 1987 heißt der Teilbereich, in dem Haut-Brion liegt, Péssac-Léognan.
1973 wurde die seit Beginn starre Klassifizierung zum ersten und bisher einzigen Mal korrigiert, als Château Mouton-Rothschild vom 2ème zum 1er Grand Cru Classé hochgestuft wurde. Somit sind es heute fünf Premier Cru Classés.
1953 wurden die Weine des Graves-Gebiets klassifiziert. Insgesamt 16 Châteaux dürfen sich seither als Cru Classé de Graves bezeichnen. Da es im Graves nicht nur Rotweine, sondern auch hochwertige trockene Weißweine aus den Rebsorten Sauvignon Blanc und Sémillon gibt, gilt die Klassifizierung bei einigen der 16 Weingüter für die Rot- und Weißweine. Die Graves-Klassifizierung wird nicht überarbeitet.
1954 wurde erstmals eine Klassifizierung der Rotweine von Saint Émilion vorgenommen. Diese wird alle zehn Jahre neu überarbeitet, d.h. Weine können auf oder abgestuft werden. In der aktuellen und bis heute sehr umstrittenen Fassung aus dem Jahre 2022 finden sich 14 Premier Grand Cru Classé Weine, von denen zwei als Spitze, als Premier Grand Cru Classé A geführt werden: Château Pavie und neu Château Figeac. Drei der vorherigen Premier Grand Cru Classé A Weingüter verweigerten, sich erneut klassifizieren zu lassen: Château Ausone, Château Cheval Blanc, und Château Angélus. Die 12 anderen Güter dürfen sich Premier Grand Cru Classé B nennen. In der Stufe darunter sind derzeit 71 Grand Cru Classé Châteaux.Die 12 anderen Güter dürfen sich Premier Grand Cru Classé B nennen. In der Stufe darunter sind derzeit 71 Grand Cru Classé Châteaux.
Bordeaux Tradition und Moderne
Wir von WeinArt engagieren uns hauptsächlich für reifere, klassifizierte Gewächse. Grob gesagt stehen für uns die Weine des 20. Jahrhunderts im Fokus. Schon immer waren wir begeistert vom eigenständigen, unverwechselbaren Charakter, der Eleganz und Alterungsfähigkeit der Bordeaux-Weine alter Schule. Wer wie wir bereits Weine wie 1961 Latour, 1953 Lafite-Rothschild, 1955 La Mission-Haut Brion, 1961 Mouton-Rothschild oder 1947 Cheval Blanc genießen durfte, wird diese legendären Bordeaux-Klassiker niemals vergessen oder je einen Gedanken darauf verschwenden, dass es größere Rotweine geben kann. Aber selbst wenn man die Premier Grand Cru Classé Rotweine aus dem Médoc außer Acht lässt, finden sich zahllose Klassiker aus der zweiten und dritten Reihe, die bei verglichen mit heute niedrigen 12 bis 12,5% Vol. Alkohol zuverlässig charaktervoll auftreten und keinerlei Anzeichen von Schwäche zeigen. Châteaux wie Grand Puy Lacoste, La Lagune, Beychevelle, Calon-Ségur, Talbot, Gruaud-Larose, Rauzan-Ségla oder Lynch-Bages sind exemplarisch und stets eine Kaufempfehlung, sofern die Weine korrekt gelagert wurden. Selbst Cru Bourgeois Weine wie Chasse Spleen, Poujeaux und insbesondere Sociando-Mallet aus den 1980er und 1990er Jahren überzeugen beständig in Verkostungen. So mancher ältere Bordeaux aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begleitet uns treu durch unser Weinhändlerleben und manchmal fragen wir uns neidvoll, ob er gar langsamer altert als wir.
Was hat sich in Bordeaux geändert?
Bereits Mitte der 1980er Jahre besaß der amerikanische Weinjournalist Robert M. Parker enormen Einfluss auf das Geschmacksbild eines Bordeaux. Er suchte Konzentration und Fruchtfülle, wie er sie von kalifornischen Weinen kannte. Seine Höchstbewertungen erhielten bei den Jungwein- (En Primeur) Verkostungen stets die mächtigsten, fülligsten Weine. Finesse und Eleganz wurden häufig abgestraft. Parker liebte Vanille und Röstaromen, die durch den Einsatz neuer Barriquefässer entstehen, sowie die likörähnlichen Cassis- und dunklen Beerennoten durch gewollte Überreife der Trauben und Mostkonzentration. Die großen, wohlhabenderen Bordeaux-Weingüter engagierten beratende Önologen, investierten in neue Fässer und modernste Technik, um die Weine auf die Vorlieben von Parker einzustellen. Bordeaux wurde zunehmend kalifornisiert.
Mit dem hochreifen Jahrgang 2000 zeigte sich auch erstmals der starke Einfluss des Klimawandels. Weine mit Alkoholgraden von 14% Vol. oder mehr, die es vorher nur in seltensten Fällen gab, wurden zur Regel. Das typische Geschmacksbild eines Bordeaux wurde durch die enorme Konzentration verwässert. Heutzutage ist es viel schwieriger, in Blindverkostungen festzustellen, ob man einen aktuellen Bordeaux, einen sogenannten Super-Tuscan aus Cabernet Sauvignon/Merlot, einen Kalifornier oder einen erstklassig gemachten Wein aus Chile im Glas hat. Wir bedauern diese Entwicklung, die auch mit exorbitanten Preisen pro Flasche einhergeht.
Die Entscheidung, was in Ihrem Keller und in Ihren Gläsern landet, liegt bei Ihnen, verehrte Kundinnen und Kunden. Es gibt bei Bordeaux kein richtig oder falsch, denn auch die modernen Weine sind qualitativ über jeden Zweifel erhaben.
Falls Sie unsere Liebe für reife, traditionell bereitete Bordeaux-Weine teilen, suchen Sie nicht weiter, Sie haben Ihr Ziel erreicht. Durch unsere jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit gereiften Weinen können wir Ihnen stets bestgelagerte Bordeaux-Raritäten einwandfreier Herkunft anbieten. Darauf haben Sie unser Wort.
Autor: Hans-Jürgen Teßnow