Ein besonderer Brunello zum Osso Buco Milanese
Herbstzeit. Alles verschiebt sich und bleibt doch im Gleichgewicht. Wenn die Tage kürzer werden, verfärbt sich nicht nur das Laub, sondern auch am Tisch wandelt sich die Couleur. Leichte Gerichte und spritzige Weißweine werden immer häufiger durch deftigere Rezepte und kraftvolle Rotweine ersetzt. Das warme Sonnenlicht auf Terrasse und Balkon weicht Kerzenlicht und Kaminfeuer.
Zuhause habe ich den Herbst 2021 italienisch eingeläutet. Ein absolutes Lieblingsgericht in dieser Jahreszeit ist Osso Buco (Kalbshaxe). Meine Frau hat die schmackhafte Spezialität aus der Lombardei mit in die Beziehung gebracht. Das vergilbte Rezeptblatt, wohl in den 1980ern aus einer Zeitung herausgetrennt, hat uns schon etliche triste Regentage erhellt.
Zum Osso Buco Mailänder Art passt selbstverständlich ein italienischer Rotwein. An besagtem Abend öffnete ich eine Flasche 2015er Brunello di Montalcino von Le Potazzine.
Brunello di Montalcino – der wohl berühmteste Rotwein Italiens
Wussten Sie, dass es bis einschließlich 1945 lediglich vier Jahrgänge Brunello di Montalcino gab? Dieser Rotwein, erschaffen von Clemente Santi, bereicherte erstmals mit dem Jahrgang 1888 das Antlitz der Weinwelt. Es folgten 1891, 1925 und eben 1945. Lange war Biondi-Santi das Non-Plus-Ultra Weingut der Toskana, und noch heute sind die Weine hochbegehrt. Die einzig zugelassene Rebsorte für Brunello die Montalcino ist namensgebend: Brunello. Exakt jene Sorte, die Clemente Santi im 19. Jahrhundert aus Sangiovese-Stöcken selektiert hat. Seit 1966 führt Brunello di Montalcino die kontrollierte Herkunftsbezeichnung DOC und als erstes Gebiet Italiens bekam er 1980 die strenger gefasste Appellation DOCG. Heute dürfen von rund 24.000 ha Weinbergen rund um den Ort Montalcino nur 3.500 ha für Brunello di Montalcino verwendet werden. Dieser hochwertige Wein muss mindestens zwei Jahre im Holzfass reifen und darf frühestens im fünften des auf die Lese folgenden Jahres zum Verkauf freigegeben werden. Die Riserva-Qualität muss sogar noch ein Jahr länger im Fass reifen.
Le Potazzine – Ein gar nicht mehr so geheimer Geheimtipp
Wie der Engländer sagt: „A little bird told me“ - Es war wohl eine Kohlmeise… Potazzine ist das italienische Wort für Kohlmeisen, und mit diesem Spitznamen wurden Viola und Sofia Gorelli als Kinder von ihrer Großmutter gerufen. Die Mutter der beiden jungen Damen, Gigliola Gianetti, gründete 1993 mit ihrem damaligen Mann Giuseppe Gorelli das Weingut und sie nannten es Le Potazzine. Nur 5 ha klein wird es heute von Gigliola, Viola und Sofia geführt. Le Potazzine liegt recht hoch auf 500 m über dem Meeresspiegel, ca. 4 km südwestlich von Montalcino. In den 1990er galt dieses Plateau als benachteiligt, weil es dort kühler war und die Reben es nicht so leicht hatten, voll auszureifen. Ausnahmsweise „Klimawandel sei Dank“ hat sich die Lage der Weinberge von Le Potazzine zu einem enormen Vorteil entwickelt. Wirken manche Brunelli heutzutage schon opulent und schwer, so glänzen die Weine der drei Damen durch Frische und würzige Spannung. Es sind hochelegante Weine, wie der hier vorgestellte 2015er, die trotz 14,5% vol. Finesse und feinste Frucht versprühen.
Der Wein zum Schmorgericht – 2015 Brunello di Montalcino
Nach drei Stunden in der Karaffe wollte der Rote noch immer nicht mit mir sprechen. Ziemlich verschlossenes Bouquet. Seine klare Ansage: Bring mir endlich was zu essen! Als das duftende Osso Buco aus dem Ofen kam und die aus Zitronenschale, Petersilie und frisch feingehacktem Knoblauch bestehende Gremolata darüber verteilt war, öffnete sich der 2015er und blühte vollends auf. Der Brunello betörte die Nase mit Noten von Salbei, Nelke, edlen Hölzern, Tabak, Rosenblättern, roter Johannisbeere und später auch Lakritz. Durch den Ausbau in 3.000 bis 5.000 Liter fassenden Fässern aus slawonischer Eiche bewahrte der Wein seinen traditionellen Charakter. Am Gaumen satte, dichte Frucht und eine balsamische Süße, die von feinster Säure im Zaum gehalten wurde. Wundervolle Balance und ein Reichtum an Nuancen, der uns begeisterte. Die Harmonie mit dem durch langes Schmoren zartfaserigen Kalbsfleisch, dem Knochenmark und dem aus Möhren, Staudensellerie, Zwiebeln und Tomaten bestehenden Gemüsebett hätte nicht besser sein können. 2015 ist ein sehr guter Jahrgang, der auf dem Papier zwar im Schatten des großen 2016ers steht, aber bei Le Potazzine mindestens ebenbürtig ist.
Le Potazzine bei WeinArt
Sie finden den sicher noch zwanzig Jahre haltbaren 2015er Brunello die Montalcino von Le Potazzine in unserem Webshop. Für größere Anlässe kommen im November noch einige Drei-Liter-Jeroboams vom 2016er. Alla salute! Buon appetito!
Autor: Hans-Jürgen Teßnow