Meine Kollegin Isabella Rutayungwa versteht es immer wieder, mich zu überraschen. In schöner Regelmäßigkeit stellt sie meinen Glauben, mit allen Wassern, bzw. hier natürlich mit allen Weinen gewaschen zu sein, auf die Probe.
Ganz frisch geschehen anlässlich unserer WeinArt Montagsverkostung am 3. Mai 2021. Nachdem wir uns durch Daniel Wagners flüssige Frühlingsgrüße in Form eines 12er Pakets mit seinen ersten 2020er Weinen geschlürft hatten, stellte Isabella drei weitere Weine verdeckt auf den Tisch.
In Riedel Montrachet Gläsern serviert, wollten drei Weißweine enträtselt werden. Natürlich lassen sich Profis wie Herr Mrcela und ich uns bereits durch die ausgewählten Gläser beeinflussen. Nie würden wir einen Riesling in einem Chardonnay Glas vermuten. Doch Isabella kennt unsere Kniffe und weiß recht genau, wie wir ticken. So denken wir an die Weisheit von Forrest Gump: „Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen. Man weiß nie, was man kriegt.“
Nichtsdestotrotz war schon bei der ersten „Nase ins Glas halten“-Runde klar, dass es sich um Chardonnay Weine handelt. Und zwar um hochwertige. Beim ersten Wein war ich recht sicher, dass es kein Burgunder ist, der mittlere natürlich eindeutig Burgund und der dritte Wein wollte sich noch nicht „outen“. Ein hervorragendes Line up, wie man auf Neudeutsch sagt.
Hier die Auflösung:
2017 Chardonnay Hunting Hill, Kumeu River, Neuseeland
Anfangs sehr prägnante Eichenholznote, Röstaromen, Vanille. Hier wurden sehr gute Fässer eingesetzt, aber die Frucht hatte es zunächst schwer. Mit zunehmender Belüftung kamen Melone, Williamsbirne und Kräuter hinzu, die Eichenholznote wandelte sich von gerösteten Nüssen hin zu dezenten Kaffeenoten. Auch wich das trockene, strenge, von neuem Eichenholz erzeugte Profil zunehmend zurück und machte Platz für Schmelz und satte Frucht. Die Säure hielt Körper und Frucht in der Waage, sehr gelungen. Qualitativ einem Premier Cru aus dem Burgund ebenbürtig. Ganz sicher über die nächsten Jahre ein großer Genuss. Wir raten zum Dekantieren eine Stunde vor dem Servieren.
2019 Chardonnay Maté’s Vineyard, Kumeu River, Neuseeland
Ohne jeden Zweifel ein großer Burgunder - dachte ich. Im Bouquet bereits facettenreich, Birne, Melone, Zitrusnoten, Kräuter und auch steinige Elemente. Glasklar und verführerisch, im Duft die angenehme Wärme eines sehr guten Jahrgangs. Am Gaumen verspielt, zarte Säure, die Eichenholzaromen gekonnt eingebunden, die Frucht vielschichtig und saftig. Viel Kraft und Potenzial für über zehn Jahre. Stellt sicher in Blindverkostungen viele große Namen aus dem Burgund in den Schatten. Unbedingte Kaufempfehlung. Kräftige Fischgerichte, gerne auch mit würzigen Saucen, werden hier einen idealen Begleiter finden.
2019 Chardonnay Estate, Kumeu River, Neuseeland
Diesen Wein habe ich anfangs vollkommen unterschätzt. Obwohl es sich, wie sich später herausstellte, um den „Einstiegswein“ von Kumeu River handelt, präsentierte er sich ziemlich verschlossen. Im Duft anfangs neben Melone gar Mandel-Marzipan-Aromen, die sich häufig bei müden Weißweinen finden. Am Gaumen wirkte er weich, etwas zu breit und zeigte zu wenig Spannung. Da konnte etwas nicht stimmen und richtig, zwei Tage später blühte der 2019 Chardonnay Estate richtig auf. Als hätte man ihn in dieser kurzen Zeit durch ein effizientes Fitness-Training gejagt. Aus schlaffer, weicher, undifferenzierter Fruchtmasse wurde ein sehniger, angespannter und absolut präziser Chardonnay mit klaren Konturen. Im Duft feine Kaffeeröstaromen, Birne, frische vegetale, blumige Noten. Im Geschmack kraftvoll, kompakt, dicht und gute Struktur. Welch eine Verwandlung! Natürlich können wir Ihnen nicht zumuten, diesen Wein zwei Tage vor Genuss zu öffnen, aber eine Stunde in der Karaffe sollte er momentan bekommen, um sich zu entfalten. Alternativ warten Sie noch ein weiteres Jahr, bevor sie ihn genießen. Aber Freude daran haben werden Sie haben. Versprochen.